Vom Hahnerbösch und Hinterbüsch

Matthias Heinen, Bleckhausen

Wird im Vulkaneifel Kreis vom „Hinterbüsch" gesprochen, weiß jeder im lokalen Umfeld, was damit gemeint ist. Der Dialekt sprechende Ortskundige wird aber nicht Hinterbüsch sagen, sondern sich der umgangssprachlichen Form „Hahnerbösch" bedienen, was die ältere, ursprüngliche und damit wohl auch die richtigere Bezeichnung dafür ist. Noch vor wenigen Jahren wurde dieser Begriff von den meisten noch als negativ empfunden. Im „Hinterbüsch" suggeriert fast zwangsläufig dem nur Hochdeutsch gewöhnten, dass es hier um einen versteckten und ganz abgeschiedenen Ecken irgendwo weit hinterm Wald geht und

die Bewohner dort müssen also die Hinterwäldler sein. Man kann also gut verstehen, dass früher die eine oder andere Gemeinde gern mal leugnete, zu dieser schon vom Namen her nicht besonders einladenden Region zu gehören.1 Heute hat sich das geändert. Dank der Tourismusbranche wurde auch aus dem anfänglichen „Phantasie Gebilde" Hinterbüsch doch noch ein einladender Begriff, auch für Urlauber. Was lange Zeit ungenau und strittig war, nämlich die Begrenzung nach Norden hin und welche Gemeinden genau dazu gehören, ist inzwischen etwas genauer festgelegt. Über die südliche Begrenzung gab

es nie Differenzen, wofür es offenkundig einen besonderen Grund gibt, auf den aber erst am Schluss dieses Beitrages eingegangen werden soll. Der Hinterbüsch beginnt im Wald zwischen Steinborn2 und Meisburg und orientiert sich dabei an einer sehr alten Grenze, die schon im Meisburger Weistum3 von 1506 erwähnt wird und die ganz sicher lange vorher schon eine wichtige Funktion hatte. Heute zählt man zum Hinterbüsch die Orte Deudesfeld, Desserath, Meisburg, Weidenbach, Schutz und Wallenborn. Anfangs soll der Hinterbüsch nur aus den Orten Deudesfeld/Desserath, Meisburg und Weidenbach bestanden haben. Unter Bürgermeister Bill von Deudesfeld, als einer der Initiatoren der Fremdenverkehrswerbung Hinterbüsch, kamen dann noch die Orte Schutz und Wallenborn hinzu. Bei der Interpretation des Begriffs Hinterbüsch unterlag Bill aber ebenso dem Irrtum wie seine Vorgänger, die glaubten Hahnerbösch richtig mit Hinterbüsch zu übersetzen.4 Mittlerweile gibt es eine ganze Menge von Initiativen5, die mit diesem Markenzeichen für sich werben. Glaubt man dem Internet, gewinnt man den Eindruck, der Hinterbüsch wächst weiter. Dort wird für eine Wanderung durch den Hinterbüsch von Wallenborn nach Salm hin zum Wald Prümscheid6 geworben. Ob Salm nun tatsächlich noch zum Hinterbüsch gehört, wie es ein Lehrer7 aus Meisburg um 1911 in einem Aufsatz darstellte, wird wohl eine Streitfrage bleiben. Da ja Wallenborn ursprünglich nicht zum Hinterbüsch zählte, ist die Zugehörigkeit von Salm zum Hinterbüsch den geographischen Koordinaten nach ebenso generell in Frage zu stellen. Wir haben es also hier mit einem Bezirk zu tun, der vordergründig in seiner jetzigen offiziellen namentlichen Form wenig Attraktives verspricht. Beide Varianten, die hochdeutsche wie die Dialektform führen bei der Suche nach dem Sinn und der Bedeutung in die Irre, lediglich die Endung „Bosch" für Wald besitzt hier einen Aussagewert, weil sie auf ein größeres Waldgebiet hinweist. Natürlich kann man den Waldnamen „Hinterbüsch" sinnvoll deuten, als der „hintere Wald" oder als „hinter dem Wald", wobei es aber immer auf die Perspektive ankommt. Wo aber ist der hintere Wald oder hinter dem

Wald in einer waldreichen Region wie der Eifel? Es wäre somit eine Ortsbezeichnung, die eigentlich wenig oder keinen Sinn macht. Bei der dialektalen Variante „Hahnerbösch" wird es auf den ersten Blick auch nicht leichter den wahren Kern zu finden. Je nach Ortsdialekt kann dort, wo ein langes „a" gesprochen wird im Nachbarort an der Stelle ein ö der u in der Aussprache zu hören sein. Aber weder ein Hahn oder Huhn stand hier Pate für diesen Waldnamen. Was bedeutet nun der Name Hahnerbösch eigentlich wirklich oder was könnte er bedeuten? Der in diesen Fall zu Papier gebracht bisher so nie gefunden wurde, weshalb es auch überhaupt erst zu dieser irrtümlichen Fehldeutung kommen konnte. Lange bevor das Hochdeutsch zu uns in die Eifel kam, also vor 1800, gab es diese Bezeichnung im Volksmund schon. Hätte man die hiesigen Einwohner vor 200 oder mehr Jahren nach dem Sinn gefragt, auch die hätten einem dies wahrscheinlich schon nicht mehr erklären können.

„Hahnerbösch" scheint, wenn man von der jetzigen Form ausgeht, eine Zugehörigkeitsbezeichnung zu sein, wie sie öfter vorkommt, „der Busch/Wald, der zu Hahn8 gehört". Hahn, mit Schwund des inlautenden [g], aus „Hagen", mit der Bedeutung „abgegrenzter, umzäunter Bezirk"9, kommt im westlichen mitteldeutschen, wozu die Region der Eifel gehört, als Flurname und auch Ortsname häufig vor. Wir haben also hier den Hinweis auf einen Waldbezirk, der in einer besonderen Weise durch eine Umgrenzung und Einfriedung besonders auffällig ist, dabei aber auch einen möglichen Hinweis auf eine wüst gefallene frühe Siedlungsstelle nicht ausschließt. Angesichts der mundartlichen Form liegt somit die Vermutung hier sehr nahe, dass es irgendwann mal, vielleicht durch einen frühen preußischen Forstbeamten zu einer irrtümlichen Fehldeutung kam, die sich dann, einmal zu Papier gebracht, verselbständigte. Mit dem fußfassen der preußischen Verwaltung nach 1815 im Rheinland und ihrer Beamten, treffen wir immer wieder auf solche Beispiele, wo von Beamten versucht wurde, die der hiesigen Sprache unkundige waren, die ihnen fremden Begriffe und Bezeichnungen in ein „besseres" Deutsch zu fassen.

Nicht sehr weit weg von Deudesfeld, Meisburg und Weidenbach, dem Kern des Hinterbüschs liegt Mürlenbach, östlich davon liegt der Distrikt „Hahnert"10 der zu dieser Gemeinde gehört und auf dem heute mehrere Aussiedlerhöfe liegen. Die schriftlichen Belege dieses Waldes reichen bis in Jahr 1700 zurück und weisen aus, dass dort immer bewirtschaftete Ländereien lagen. Allerdings verlief hier die sprachliche Entwicklung etwas anders. Der Flurname Hanert blieb immer stabil und wahrscheinlich deshalb, weil hier frühe schriftliche Belege vorliegen und weil an das Bestimmungswort Hanert nie eine Endung angehängt wurde. Ebenso verhält es sich mit dem Mürlenbacher Flur Distrikt „Hahn", westlich der Kyll. Auch hier blieb es bis heute beim Grundwort Hahn aus Hagen.

Südöstlich von Bleckhausen, auf dem Gemeindebann von Manderscheid, wo sich Roßbach und Lieser treffen, liegt der Distrikt „Hahner-fläch", im Dialekt „Hoahnerfläch". Die Hahner-fläch zerfällt wiederum in verschiedene Unterteilungen, wie Hahnerheck, Hahnerhöchst, Oberst Hahnerfläch und Unterst Hahnerfläch. Mit der Anlegung des Katasters 1825 wurde der Name Hahnerfläch in seiner ursprünglichen Form ins Flurbuch aufgenommen und nicht mehr verändert danach. Auch hier fügen sich der Flurname und die Historie des Areals zu einer Einheit zusammen. Seit den frühsten Zeiten von Bleckhausen, lag zwischen Bleckhausen und Manderscheid ein besonders abgegrenztes und exemtes Gelände. 1506 wird es im Manderscheider Weistum erstmalig unter dem Namen „kurfürstliches Frohnland" erwähnt. Siedlungsgeschichtlich lassen sich auch hier Spuren durch alle Epochen bis in die Zeit der Römer nachweisen, womit sich dann auch dort die Häufung von Parzellennamen erklärt, die auf Hof enden. Heute ist die Hahnerfläch bewaldet, in den Karten von Tranchot und Müffling kommt der Name Hahnerfläch nicht vor, sie zeigen aber, dass dort damals noch Heide und Ackerland lag. Ein wahrscheinlich ähnlich gelagertes Beispiel, wenn auch kleineres, liegt am Ortseingang von Bleckhausen Richtung Daun. Umgangssprachlich hat es den Namen „am Hohnerflur" und im Kataster von 1825 wird dann daraus schon der „Hühnerflur".

Hahnert bei Mürlenbach und Hahnerfläch bei Bleckhausen sprechen also in beiden Fällen von einem umfriedetem Land oder Hag/en, einem gehegtem Wald oder Gelände.11 Siedlungsgeschichtlich zeigen sich hier ganz klar Parallelen zum Hahnerbösch. Bei der Spurensuche nach einem solchen besonderen Areal im Raum Deudesfeld, Meisburg, werden wir mit dem Meisburger Weistum von 1506 erstmalig auf etwas aufmerksam gemacht, was die vorstehende Deutung untermauert und zu bestätigen scheint. In diesem Weistum wird von einer Steinmauer gesprochen, die man auch die Langmauer oder Landmauer nennt und damals streckenweise den Gemeindebann von Meisburg als Grenzmarke markiert. In den Jahren um 1844-50 wird diese Mauer dann auch zum Thema der Altertumsforschung. Gleich mehrere Altertumsforscher12 suchen Meisburg und Deudesfeld nacheinander auf und berichten, was sie dort vorfinden. Sie berichten von einer langen Steinmauer, die angeblich von den Höhen von Meerfeld käme. Südlich von Deudesfeld waren damals noch Reste dieser Mauer sichtbar, die von dort über den Ritzenberg ihren weiteren Weg nach Meisburg nahm und dann in Richtung Stein-born13, Seinsfeld im Wald verschwindet. Bei Meisburg fanden sich zu jener Zeit mehrere solcher Mauern neben und untereinander, welche aber bereits zu dieser Zeit sehr stark durch die Entnahme der Steine als Baumaterial zerstört waren.14 Erkundet man den Wald unterhalb von Rackenbach und Rascheid bei Meisburg zu Fuß, fallen nicht nur dem geübten Auge die vielen Wälle und Dämme auf, die davon zeugen, dass auch dort sich Menschen vor vielen Jahrhunderten aufhielten und ihre Ackerflächen einhegten. Wenn heute auch nur noch wenige Spuren dieser alten Mauer unterhalb von Meisburg sichtbar erhalten sind, so ist uns ihr gesamter ehemaliger Verlauf wenigstens streckenweise in den heutigen Gemeindegrenzen von Meisburg und Deudesfeld und auch mit der Kreisgrenze Daun - Wittlich doch in etwa erhalten geblieben. Nebenbei markiert sie auch bis heute die südliche Begrenzung des Hinterbüschs, oder besser gesagt, des Hahnerböschs.

1 Nach Auskunft von G. Becker (VG Daun) sind Bleckhausen und Niederstadtfeld der Meinung nicht zum Hinterbüsch zu gehören.
2 R.Höser, St. Thomas
3 Weistümer sind die schriftliche Fassung der ehemals mündlich überlieferten rechtlichen Reglungen einer Gemeinschaft in einem Gerichtsbezirk. Sie halten u. a. die Grenzen, Abgaben und Steuern der Gemeinde fest. Diese Rechtsverordnung=Weistum war die Basis beim Jahrgeding, worauf sich der Gerichtsherr beim abfragen des Rechts und die Schöffen bei der Beantwortung stützten.
4 www.hinterbuesch.de/allgemein.htm „Nach meinen Recherchen ist der Name bereits um die Wende des 18.-19. Jahrhunderts entstanden, man geht davon aus, dass die Dauner Leute, vielleicht auch die Behörden(!) etwas 3.rangig von unseren Dörfern gesprochen haben, wie z.B.: „hinter dem Büsch" oder „Busch", in Gedanken, da kann nicht viel los sein das liegt ja hinter dem Wald. Ursprünglich waren eigentlich hauptsächlich die Dörfer Deudesfeld, Meisburg und Weidenbach gemeint, während wir dann in unserer Kooperation in Bezug auf Fremdenverkehrswerbung die Orte Wallenborn und Schutz dazu genommen haben, daher auch die Wanderkarte „Hinterbüsch". Dieses Wort ist inzwischen für unsere Gegend zum festen Bestandteil geworden und soll auch diesen Platz immer behalten."
5 z.B. Forstrevier Hinterbüsch, zu dem dann auch Bleckhausen gehört ohne jedoch selbst zu den Hinterbüsch Gemeinden zu zählen.
6 Nördlich von Salm
7 „De Posshanni" Kurzgeschichte von Lehrer Bidinger (1911-19) aus Meisburg, danach zählen zum Hinterbüsch die Orte Salm, Wallenborn, Weidenbach, Desserath und Meisburg: Chronik Meisburg, Seite 358
8 vgl. hierzu die Tranchot - Müfflingsche Aufnahme rheinischer Gebiete, Blatt 168 Gillenfeld. Flur „Hahn" zwischen Trittscheid und Tettscheid, dito „Hanenthal" zwischen Mehren und Weinfeld. Zwischen Neidenbach und Mohrweiler ebenfalls ein Walddistrikt „Hahnert" im Siebengemeide Wald und bei Steinborn als Flurname „im Hag". „Hahnerhof" bei Oberstadtfeld, vgl. Chronik Oberstadtfeld.
9 vgl. H. Dittmaier, Rheinische Flurnamen
10 1718: in dem Hannert - LHAK 18,2434-02, Ein „felt und heck im Honnert - LHAK 18,2434-22
11 mittelhochdeutsch: Hain=umfriedetes Land,
12 1844 Jakob Schneider, 1845 Johann Steininger, um 1850 Pfarrer Ost aus Demerath
13 Auch im Grenzweistum der Gemeinde Steinborn findet sich diese Mauer als Grenzpunkt wieder, vgl. Heinz Schmitt, Chronik Steinborn, Seite 91
14 vgl. Chronik Meisburg 2015, Seite 25-29 Die Landmauer oder Steinmauer von Matthias Heinen