Spektakulärer Flechtenfund am Schalkenmehrener Maar

Julia Oster, Daun

Am Ende meines Masterstudiums an der Universität Koblenz-Landau in den Fächern Biologie und Ethik für das Lehramt an Gymnasien war ich auf der Suche nach einem geeigneten Thema für meine Abschlussarbeit. Es sollte in jedem Fall ein Thema aus dem Fachgebiet der Biologie sein. Bei meinen intensiven Recherchen fand ich heraus, dass es keine systematische Kartierung von Flechtenvorkommen an den drei Maaren bei Daun gibt. Ich habe daher zahlreiche Stellen aufgesucht, um auf der Grundlage eines vorgegebenen Kriterienkatalogs dort Flechten zu erfassen und zu bestimmen. Hierbei habe ich eine spektakuläre Entdeckung gemacht. Doch zunächst einige Anmerkungen zur Besonderheit von Flechten.

Die symbiotische Lebensgemeinschaft Flechte

Die weltweit ca. 25.000 beschriebenen Flechtenarten sind schon seit sehr vielen Jahren ein fester Bestandteil der Natur. Sie besiedeln in leuchtenden Farben und unterschiedlichen Wuchsformen Bäume, Sträucher, Totholz und Steine, aber auch Strukturen wie Dächer, Mauern oder Müllcontainer. Durch unterschiedliche Anpassungsmerkmale ist es den Flechten möglich, sehr extreme Standorte zu besiedeln, auf denen sonst keine andere Pflanzenart überleben könnte.

Eine Besonderheit der Flechten ist außerdem, dass sie aus drei unterschiedlichen Partnern bestehen, die gegenseitig voneinander profitieren, also in einer Symbiose zusammenleben. Neben zwei Pilz- ist immer auch eine Algen-

komponente in einer Flechte enthalten. Trotz dessen unterscheidet sich ihre Erscheinungsform stark von dem Aussehen der einzelnen Symbiose-Partner.

Aufgrund ihres Aussehens werden die Flechten in drei verschiedene Gruppen eingeteilt. Krustenflechten sind dünn, großflächig und fest mit ihrem Untergrund verwachsen und lassen sich kaum von ihm ablösen, ohne ihn zu beschädigen. Blattflechten hingegen wachsen oft in einer kreisartigen Form, haben eine deutlich unterscheidbare Unter- und Oberseite und lassen sich leichter vom Untergrund entfernen. Die Strauchflechten zeichnen sich nicht nur durch Breiten- sondern auch durch Längenwachstum aus. Sie haften nur mit einer einzigen Stelle am Untergrund und sind daher sehr leicht von ihm abzulösen.

Krustenflechte

Blattflechte

Strauchflechte

Entgegen einer weit verbreiteten Annahme sind Flechten nicht schädlich. In Bezug zum Menschen können sie sich sogar als nützlich erweisen, da z. B. einige Arten aufgrund ihres Aufbaus sehr sensibel auf Luftschadstoffe reagieren und ihr Vorkommen in Gebieten genutzt werden kann, um die Luftqualität zu bestimmen.

„cyphelium tigillare" am Schalkenmehrener Maar

Die Maare bei Daun in der Vulkaneifel bieten sowohl Flora als auch Fauna einen besonderen Lebensraum an, der sich durch die vulkanische Aktivität des Gebietes vor 35 bis 45 Millionen Jahren immer weiter entwickelt hat. Zu ihnen gehören das Gemündener, das Weinfelder und das westliche und östliche Schalkenmehrener Doppelmaar. Jedes der einzelnen Gebiete bietet bei gleichen klimatischen Bedingungen neben einer unterschiedlichen Nutzung, Bewachsung und Beschaffung des Einzugsgebietes des Maares eine andere Vegetationszusammensetzung und -verteilung sowie verschiedene Substrate, auf denen Flechten wachsen können. Im Laufe meiner Masterarbeit fand eine Bestandsaufnahme der unterschiedlichen Flechtenarten an den drei Maaren statt, um die aktuelle Flechtenvielfalt in diesem Gebiet zu bestimmen.

Dabei gelang mir an einem unscheinbaren Holzzaun in Ufernähe des Schalkenmehrener Maares mit der Krustenflechte „cyphelium tigillare" zu meiner großen Überraschung eine Entdeckung einer ganz außergewöhnlichen Flechtenart. Als ich die grünen Knubbel mit einem schwarzen Punkt in der Mitte sah, war ich mir spontan sicher, dass es sich nur um die so gut wie ausgestorbene Flechtenart „Cyphe-lium tigillare" handeln konnte.

Fundort von cyphelium tigillare

Die kleine, schwarz-gelbe Flechte ist laut aktuellen wissenschaftlichen Standarts eine sehr seltene und in Deutschland gefährdete Art, die normalerweise lediglich in niederschlagsreichen und kühlen Hochgebirgslagen Europas und in der borealen Nadelwaldzone vorkommt. Weiterhin beschränkt sich ihr Vorkommen innerhalb Deutschlands nur noch auf einige wenige Standorte in Baden-Württemberg. In Rheinland-Pfalz gibt es bisher keine dokumentierten Fundorte. Ihr Vorkommen am Schalkenmehrener Maar ist daher sowohl aufgrund der klimatischen Gegebenheiten als auch in Bezug auf ihre Seltenheit außergewöhnlich. Um ganz sicher zu gehen, habe ich den Fund mit meinen, meine Arbeit betreuenden Professoren Dr. Dorothee Killmann und Dr. Eberhard Fischer vom Institut für Integrierte Naturwissenschaften an der Universität Koblenz-Landau nochmals intensiv untersucht. Weitere Spezialuntersuchungen am Mikroskop und einer DNA-Datenbank brachten dann die endgültige Gewissheit: Es ist zweifelsfrei

„cyphelium tigillare". Ich hoffe, dass der Fund demnächst in der Fachzeitschrift "Decheniana" des Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalens veröffentlicht wird.

Cyphelium tigillare auf dem Holzzaun

Vergrößerung Cyphelium tigillare

Ausblick

Die seltene Krustenflechte am Schalkenmehrener Maar verdeutlicht, dass in der heimischen Flora und Fauna der Maare bei Daun viele besondere Organismen existieren, die von den meisten Menschen auf den ersten Blick gar nicht richtig wahrgenommen werden. Darum ist es besonders wichtig, sich dafür einzusetzen, jegliche Orte zu erhalten, die einen potentiellen Lebensraum darstellen könnten.

In Deutschland sind mittlerweile 300 Arten vom Aussterben bedroht, während 10% aller beschriebenen Arten schon komplett verschwunden sind. Ausschlaggebend für den in den letzten Jahren vermehrt dokumentierten Rückgang der Flechtenvielfalt ist der Einfluss

des Menschen auf die Natur, sei es durch forstwirtschaftliche Nutzung oder die immer weiter zunehmende Luftverschmutzung. Es gilt daher das Blickfeld zu vergrößern und bei jedem Eingriff in die Natur das Wohl von Tieren und Pflanzen zu berücksichtigen.