Heimat in der Literatur

„Oos Mottersproch als Bester iwwersatt un jelese"

Brigitte Bettscheider, Kelberg-Zermüllen

Sechs Mädchen und Jungen aus Schulen des Landkreises Vulkaneifel haben sich im Februar 2020 an einem Mundartwettbewerb beteiligt. Der Sieger heißt Silas Wagner und kommt aus Gunderath bei Kelberg.

Da geht Mundartkennern wie Alois Mayer (Daun-Pützborn) und Dr. Tim Becker (Darscheid) das Herz auf: In der Fabel „Der Esel und der Fuchs" hat der elfjährige Silas Wagner aus Gunderath den Ausdruck „Freunde" durch „en Kopp un en Oarsch" übersetzt und anstatt „unterwegs in einem großen Wald" die Wendung „op Tur in eenem schruuße Besch" benutzt. Auch von „jing em an de Jurjel" statt „am Hals packen" sind die beiden Juroren des Mundartwettbewerbs begeistert. Und dass der Sechstklässler am Dauner Geschwister-SchollGymnasium (GSG) die Lehre der Fabel mit den Worten ankündigt: „Dat Eeene kunnt ihr mir jelöwe", sei „einfach klasse", sagen Mayer und Becker.

Auf solche echten Mundartausdrücke kommt es bei dem Wettbewerb nach Meinung von Wilma Herzog aus Gerolstein nämlich an. Die Mundartschriftstellerin war vor etwa 20 Jahren maßgeblich daran beteiligt, dass sich im Rahmen des Vorlesewettbewerbs für Sechst-klässler auch Kinder in Eifeler Platt messen. Sechs an der Zahl sind es dieses Mal: Maria Becker aus Eckfeld, Jannis Hoffmann aus Niederehe, Lina Schmitz aus Meerfeld und Silas Wagner aus Gunderath (alle GSG Daun) sowie Monique Gaspers aus Gerolstein-Oos (St. Matthias-Gymnasium Gerolstein) und Jannik

Nelles aus Leudersdorf (Augustiner-Realschule plus Hillesheim). Sie reichten zunächst eine schriftliche Übersetzung der Fabel vom Esel und vom Fuchs ein und tragen nun ihre Fassungen dem Publikum und den Juroren vor. Die Wortwahl ist ganz unterschiedlich - je

Mundartsieger Silas Wagner

nachdem, ob die Kinder in Gunderath, Niederehe oder in anderen Dörfern der Vulkaneifel leben.

Den Sieger Silas Wagner machte seine Deutschlehrerin Alexandra Max auf den Wettbewerb aufmerksam. Seine Oma Margret Gräf half ihm bei der Übersetzung - was ausdrücklich erwünscht ist. Und obwohl Silas ein paar Monate zuvor in einer der Hauptrollen im GSG-Musical „Die drei Fragezeichen und die Musikdiebe" im Forum Daun vor Hunderten von Zuschauern aufgetreten war, habe ihn beim Mundartwettbewerb doch „ziemlich viel Lampenfieber" geplagt, erzählt er bei der Siegerehrung durch Landrat Heinz-Peter Thiel. Dass er laut Jury und Urkundentext „oos Mot-tersproch als Bester iwwersatt un jelese" hat,

freut den Jungen natürlich sehr. „Ein richtig tolles Gefühl" sei das. In Zukunft will er sich mit seiner Oma öfter in Eifeler Platt unterhalten. „Wär' doch schade, wenn diese Art zu sprechen verloren ginge", meint Silas. Neben den Urkunden bekommen Silas Wagner und seine Mitstreiter „fein eefler Tassen op eefler Platt" aus dem Dauner Eifelbildverlag. Silas nimmt seine Tasse in Augenschein und staunt. Denn darauf steht „Häddel Desch". Zwei Wörter für etwas, das in Hochdeutsch weit wortreicher erklärt wird: „Sich benehmen. Aufmunternder Zuruf, in allen Lebenslagen mit Weitsicht und gebotenem Maß zu handeln. Durchaus gebräuchlich auch in Erziehungsfragen, zuweilen auch als Wunsch der Genesung oder Abschiedsgruß geäußert".

Der Mundartsieger Silas Wagner (Zweiter von rechts) mit seinen Mitstreitern (von links) Lina Schmitz, Monique Gaspers, Jannis Hoffmann, Jannik Nelles und Maria Becker sowie Landrat Heinz-Peter Thiel (rechts), der die Siegerehrung vornahm;

Der Esel und der Fuchs

Lebenslang waren sie schon Freunde, der Esel und der Fuchs.

Der eine konnte sich stets auf den anderen verlassen.

Sie gingen oft gemeinsam auf die Jagd. So waren sie eines Tages wieder auf Tour in einem großen Wald.

Plötzlich stand ein gewaltiger Löwe vor ihnen. Der Fuchs hatte Angst, dass er nicht schnell genug fliehen könnte. Er versuchte es mit einer List. Er verbeugte sich vor dem Löwen und sagte: „Mein edler König! Solltest du Appetit haben am saftigen Fleisch des Esels hier, dann sag mir nur Bescheid." Der Löwe nickte und schien damit einverstanden. Darauf schnappte sich der Fuchs das Seil, das dem Esel um den Hals gebunden war und ging mit ihm in eine tiefe Grube. Kaum waren sie unten, kam der Löwe hinein gesprungen.

Er packte sich den Fuchs am Hals und rief: „Der Esel ist mir sicher, dich aber zerreiße ich jetzt zuallererst wegen deiner Falschheit!" Die Welt ist voller Verrat. Verräter aber sind wirklich das Allerletzte!

De Essel un de Fuchs

E Lewwe lang woren se an Kopp un en Oarsch

- de Essel un de Fuchs.

Der een konnt sich immer op de anner

verlosse.

Se junkten oft zesommet op de Jacht.

Suu woren se enes Dachs wär op Tur in eenem

schruuuße Besch.

Op eemol stung en riesiche Löwe vor inne. De Fuchs hätt sich bal in die Butz jemaach un hätt Schiss jehött, dat en net flutt jenoch futt-loofe konnt.

Met eener List wollt en dem annere Hunich um de Moul schmirre, much en Knecks fir dem Löwe un sot: „Dau edler Kinich! Wenn dau Hunger op Esselsfleesch häss, dann soa mir Bescheed."

De Löwe nickte un doot suu als wären inver-

stanne. Donoa schnappte de Fuchs dat Seel,

bat dem Essel iem de Hals jebonne woa un

juung met em en en deef Koul.

Kaum woren se inne, do koom at de Löwe je-

sprunge.

Er schnappte sech de Fuchs, juung ihm an de

Jurjel un hätt jeroff: „De Essel is mea secher,

dech awer zerreißen ich nou zueescht, weil dou

suu falsch bes!"

Dat enet kunnt ihr mir jelöwe:

De Welt is voller Verrot. Verräter seijn awer

wirklich dat Allerletzte!